Interview für den „Spiegel“, 20. April 2016, Olympiastadion Berlin – von Pfarrer Dr. Bernhard Felmberg
Zur Person:
Pfarrer Dr. Bernhard Felmberg (50) ist ein Evangelischer Theologe und im Hauptberuf Ministerialdirigent im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Seit 1999 ist er ehrenamtlicher Sportbeauftragter der Evangelischen Kirche Berlin – Brandenburg – schlesische Oberlausitz. Von 2010 bis 2014 war er Sportbeauftragter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Felmberg hat den Bau der Kapelle im Berliner Olympiastadion initiiert und ist dort gemeinsam mit dem katholischen Diakon Gregor Bellin als ehrenamtlicher Pfarrer tätig. Es ist eine von vier Stadionkapellen in Deutschland, eingeweiht wurde sie am 20. Mai 2006.
SPIEGEL ONLINE: Herr Felmberg, Hertha BSC stand ja erst einmal im Finale des DFB-Pokals, 1992/1993 und verlor damals…
… gegen Leverkusen! Und noch nicht mal die erste Mannschaft, sondern die Bubis, die Amateure. Ulf Kirsten hat das Siegtor geschossen. Reden wir nicht davon, wir haben damals sehr gelitten.
Braucht Hertha göttlichen Beistand um gegen den BVB ins Finale einzuziehen?
Gottes Segen brauchen wir alle! Es ist einfach eine schöne Situation für den Verein, weil es viel besser läuft, als man vor der Saison gedacht hätte. Das Halbfinale gegen Dortmund ist die erste kleine Ernte, und ein Vorgeschmack auf ein mögliches Finale. Hertha ist ja eigentlich bekannt dafür, im DFB-Pokal früh auszuscheiden. Ich hoffe einfach, dass die Jungs noch hinreichend Kraft haben, den Dortmundern mindestens Paroli zu bieten.
Wird es zum Halbfinale einen Gottesdienst geben? Und wie ist es mit dem Pokalfinale?
Beim Halbfinale gibt es wie bei jedem Bundesligaspiel eine Dreiviertelstunde vor Anpfiff eine ökumenische Andacht in der Kapelle. Da werden am Mittwoch auch die „Biene Majas“, die Schwarz-Gelben kommen, darauf freuen wir uns schon. In die Andachten kommen immer Fans der Gast- und der Heimmannschaft. Es gibt tolle Beziehungen zu den anderen Fangemeinden. Vor dem DFB Pokalfinale findet ein Gottesdienst zur Mittagszeit in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche statt. Jedes Jahr predigt da jemand anders und der Gottesdienst ist mit 300 bis 500 Menschen gut besucht. Die Stadionkapelle ist offen, aber wir feiern dort an diesem Tag keinen Gottesdienst mehr.
Gehört die Kapelle zum Olympiastadion oder zu Hertha BSC?
Sie trägt den Namen „Kapelle im Berliner Olympiastadion“ und das ist sie auch. Da der Hauptnutzer des Olympiastadions Hertha BSC ist, sind wir dem Verein aber besonders verbunden. Wir sind für Hertha auch Seelsorger und pastoraler Ansprechpartner. Nach der Gründung hat sich schnell ein enges Verhältnis geknüpft und mittlerweile gehören wir einfach dazu. Hertha BSC unterstützt unsere Arbeit auf vielfältige Weise. Darüber freuen wir uns sehr. Es ist ein tolles Miteinander, das so in der Bundesliga einmalig ist. Reizvoll für die Besucher ist, dass die Kapelle nur wenige Meter vom Spielfeld entfernt ist und sich im Top-Secret-Bereich des Stadions befindet. Für 20 Minuten werden vor jedem Spiel so die Karten-Kategorien durchbrochen. Im Gottesdienst sitzt dann der Hertha-Präsident neben einem Fan aus der Ostkurve, das ist einzigartig. In zehn Jahren hatten wir 13.000 Gottesdienstbesucher und 600.000 Leute haben die Kapelle besichtigt. Das hat bei weitem übertroffen, was ich mir damals ausgedacht hatte.
Sie feiern gerade zehnjähriges Bestehen. Nun gibt es bei Hertha BSC aktuell wieder Überlegungen ein neues Stadion zu bauen. Wie stehen Sie dazu?
Die Idee für ein neues Stadion ist nicht neu, sie taucht alle zwei bis drei Jahre wieder auf. Zur WM 2006 gab es zuletzt eine Entscheidung für das Olympiastadion und gegen ein reines Fußballstadion. Ich bin da also sehr gelassen. Unsere Arbeit hier ist wichtig, und wenn Hertha tatsächlich ein Stadion bauen sollte, dann bin ich mir sicher, dass von vorneherein eine Kapelle in den Planungen berücksichtigt werden würde. Dann hätten wir eben zwei.
Wie sieht ihre Arbeit als Stadionpastor aus? Haben Sie engen Kontakt zu den Spielern?
Wir veranstalten vor jedem Heimspiel einen Gottesdienst. Taufen und Trauungen feiern wir regelmäßig an Wochenenden. Auch Beerdigungen kommen vor. Viele Schulklassen und Konfirmandengruppen kommen vorbei und wollen wissen, was wir genau machen. Wie viel Kontakt wir zu den Spielern haben, ist unterschiedlich. Bei manchen haben wir die Kinder getauft, stehen zum Gespräch bereit, tauschen uns aus, beten zusammen. Selbst zu manchen Ehemaligen haben wir immer noch Kontakt. Den Gottesdienst vor einem Spiel besuchen unsere natürlich nicht – da stehen sie ja schon auf dem Platz und machen sich warm. Dafür sind wir dann im Spielertunnel, geben den Hertha-Spielern die Hand und wünschen Ihnen Gottes Segen.
Gibt es besondere Erlebnisse mit Spielern oder Fans, die Ihnen im Gedächtnis geblieben sind?
Es sind so viele… Auf jeden Fall die WM 2006, die Begegnungen mit Nationalspielern wie Christoph Metzelder oder Sebastian Kehl. Oder als Otto Rehagel versuchte, Hertha vor dem Abstieg zu retten. Da kam er irgendwann in die Kapelle, sagte einmal den kompletten Psalm 23 auf, und ging wieder. Oder Pal Dardai, den ich schon als Spieler kennengelernt habe und der mal gefragt hat, warum die Bibelverse an den Wänden nicht auch ins Ungarische übersetzt sind. Sollten wir tatsächlich nächste Saison international spielen, dann werde ich unseren Leitvers „Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme Schaden an seiner Seele?“ (Matthäus 16,26) vielleicht nochmal auf Ungarisch auf der Kapellenwand verewigen lassen.
Sie sind Stadionpastor, sind sie auch wirklich begeisterter Hertha-Fan?
Ja. Ohne eine innere Beziehung zu diesem Verein geht das nicht. Diese muss genauso vorhanden sein wie der Wunsch, das Wort Gottes im Stadion zu verkünden. Kirche und Sport in Beziehung zu setzen, das ist mein Antrieb. Ohne diesen könnte ich die Arbeit als Stadionpastor nicht machen. Mein katholischer Kollege und ich machen das ja im Ehrenamt in der Regel nach einer intensiven Arbeitswoche. Uns trägt die Begeisterung! Andererseits: Wer an diesem Ehrenamt keinen Spaß hat, ist selbst schuld.
Was ist Ihnen wichtiger, das Weiterkommen im Pokal oder in der kommenden Saison international zu spielen?
Eigentlich lautet mein Vers: Hauptsache sie spielen nächstes Jahr international. Aber wir haben noch ein paar schwere Spiele. Der Verein hat viel durchgemacht und jetzt stehen wir gefühlt seit dutzenden Wochen auf Platz drei oder vier. Das ist richtig toll. Alle ziehen im Verein an einem Strang. Das merkt man. Das zahlt sich aus. Wir können total happy sein über die bisherige Saison. Aber ich hoffe trotzdem, dass die Spieler den Drive haben, noch einen oben drauf zu setzen. Es wäre großartig, wenn sich die Mannschaft mit einem Sieg gegen Dortmund noch richtig beschenken könnte.
Ihr Tipp für das Spiel?
Hertha gewinnt 2:1.
Hier der Link zum erschienenen Artikel auf Spiegel Online.